Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht: Haedke bekommt nach 7 Jahren recht

Nach 7 Jahren vor deutschen Gerichten wird der finale Ausgang vor dem Bundesverfassungsgericht wie folgt in der SZ beschrieben:

Junge Union erhält Rückendeckung aus Karlsruhe
Boykottaufruf gegen Scientology-Werbung zulässig
Bundesverfassungsgericht sieht Meinungsfreiheit nicht ausreichend gewichtet und hebt frühere Urteile auf

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Im jahrelangen Rechtsstreit der Jungen Union in München mit Scientology hat die JU eine frühere Schlappe wieder wettmachen können: Das Bundesverfassungsgericht hob ein die JU belastendes Urteil des Oberlandesgerichts München auf. In der Begründung aus Karlsruhe heißt es, die Münchner Richter hätten das Recht der Jungen Union auf Meinungsfreiheit "unzutreffend gewichtet". Nun muss der Streit erneut vor dem Oberlandesgericht verhandelt werden.

Im Sommer 2000 hatte die Junge Union in einer Pressemitteilung vor Büchern des Scientology-Gründers Ron Hubbard gewarnt. Diese Bücher werden hierzulande durch die "New Era Publications" vertrieben. Für das Hubbard-Buch "Scientology - Die Grundlagen des Denkens" hatte dieser Verlag auf den Plakatwänden und Litfaßsäulen einer großen Münchner Werbefirma Reklame gemacht. Daraufhin veröffentlichte die JU eine Pressemitteilung mit der Überschrift: "Scientology wirbt wieder öffentlich in München - Junge Union veröffentlicht ab sofort immer die Namen der Werbefirmen und ruft zum Boykott auf." Gleichzeitig wurden die Verantwortlichen der Stadt aufgefordert, gegen diese Werbe-Kampagne vorzugehen.

Die Werbe-Firma, die für ihre Plakat-Tafeln zahlreiche Haus- und Grundflächen im Stadtgebiet gemietet hatte, beugte sich dem Druck, nachdem ihr verschiedene Grundstückseigentümer Vertragskündigungen solcher Standflächen angedroht hatten. Außerdem musste sie befürchten, dass andere Werbekunden Aufträge zurückziehen und keine neuen mehr erteilen, falls Werbemaßnahmen für das Scientology-Buch in Zukunft veröffentlicht würden. Die Werbe-Firma hatte deshalb den Vertrag mit New Era Publications fristlos gekündigt. Der Verlag verklagte daraufhin die JU auf Unterlassung und bekam zunächst recht: Die Junge Union übe mit ihrem Boykottaufruf einen Druck aus, der wirtschaftlichem Druck gleichkomme, stellte nach dem Landgericht München I auch das Oberlandesgericht fest. Auf diese Weise werde in den Gewerbebetrieb des klagenden Verlags eingegriffen. Grundsätzlich sei es zwar zulässig vor dem Gedankengut von Scientology zu warnen, meinte das OLG. Die Grenzen der Zulässigkeit seien aber überschritten, wenn nicht nur geistige, sondern auch wirtschaftliche Argumente angeführt würden.

Die von der Münchner Rechtsanwältin Evelyne Menges vertretene JU legte dagegen sofort Verfassungsbeschwerde ein. Die 1. Kammer des Ersten Senats mit Verfassungsgerichtspräsident Jürgen Papier an der Spitze beschloss nun einstimmig, dieses Urteil aufzuheben und zurückzuverweisen. Denn die angegriffene Pressemitteilung sei trotz des Boykottaufrufs eine verfassungsrechtlich geschützte Meinungsäußerung. Die Zivilgerichte haben "die Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin falsch gewichtet", heißt es in der Karlsruher Entscheidung (Aktenzeichen: 1 BvR 292(02).

Tobias Weiß, Vorsitzender der JU München, sagte zu dem Beschluss der Verfassungsrichter: "Es ist ein sensationeller Erfolg, nach mehr als fünf Jahren endlich zu erfahren, dass die damaligen Gerichtsentscheidungen falsch waren." Die Junge Union werde sich auch weiterhin engagieren: "Scientology kann uns durch Prozesse nicht abschrecken - diese Entscheidung bestärkt uns in unserem politischen Auftrag."

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.250, Dienstag, den 30. Oktober 2007 , Seite 38

SZ, 30 Oktober 2007.


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