Rot-Grün plant langfristiges verkehrspolitisches Chaos für München


Nach Abschluß der ersten Diskussionsrunde um den Verkehrsentwicklungsplan
Haedke und Wiehle: „Die Stadt plant einen Käse, weil schon die Annahmen falsch sind!“

München, den 15. September 2000. In den letzten Monaten wurde in Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt München der Verkehrsentwicklungsplan (VEP) für München diskutiert. Dabei ging es darum, den Entwurf der Stadt, wie es in München in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit dem Verkehr weitergehen kann, zu erörtern.

Die CSU lehnt den Plan der Stadt in vielen Punkten ab und fühlt sich auch in der gestern abgeschlossenen Diskussionsreihe bestätigt.

Dazu Haedke und Wiehle wörtlich:
„Das ganze ist wie wenn man ein Haus auf einem Sandfundament baut. In den Diskussionen wurde mehrfach von den unabhängigen Diskussionsteilnehmern massiv kritisiert, daß bereits die Annahmen (z.B. Abnahme des Straßenverkehrs von 68% auf 50%) auf Wunschvorstellungen basieren. Auch die daraus gefolgerten Ent-wicklungen stellen sich als rot-grüne Illusionen dar. Wenn München nicht im totalen Ver-kehrs- und Parkchaos versinken soll, fordern wir die Stadt auf, den entworfenen Schmarrn in den Aktenvernichter zu geben und gemeinsam mit der CSU einen realitätsbezogenen Entwurf zu erarbeiten.“


Kritikpapier der CSU-Stadtratsfraktion

Ein besseres Verkehrskonzept für München


Abweichende Position im Stadtrat der Landeshauptstadt München,
vertreten von der Stadtratsfraktion der CSU.


VEP-Entwurf neu erarbeiten

Der vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung im August 1999 vorgelegte Vorentwurf für einen Verkehrsentwicklungsplan (VEP) für München findet nicht die Zustimmung der CSU-Stadtratsfraktion. Eine Korrektur des Planes durch die Ändern einzelner Textabschnitte wird kaum möglich sein, weil der Entwurf schon in den Grundannahmen von einseitigen Festlegungen geprägt ist, über die ein politischer Konsens nicht möglich ist. Die CSU strebt deshalb im Rahmen der Diskussionsphase mit Beteiligung der Öffentlichkeit eine grundlegende Verbesserung des Verkehrs-entwicklungsplanes durch Neu-Erarbeitung an.


Anzustrebende Ziele

Nach Ansicht der CSU-Stadtratsfraktion müssen die Hauptzielsetzungen des Verkehrsentwicklungsplanes sein:
 Mit Blick auf die wirtschaftliche und soziale Lage der Münchner zur Verbesserung der Qualitäten des Standortes München im sich verschärfenden Wettbewerb innerhalb Europas einen möglichst großen Beitrag zu leisten,
 Den Bürgern und der Wirtschaft als Dienstleistung ein besseres, möglichst vielseitiges und leistungsfähiges Angebot in der Verkehrsinfrastruktur zu bieten,
 Den Verkehr für die Menschen und die Umwelt in der Stadt möglichst schonend abzuwickeln, und
 Für absehbare zukünftige Entwicklungen offen zu sein.


Falsche Prioritätensetzung

Die CSU-Stadtratsfraktion kritisiert, dass der Entwurf des Planungsreferates ausge-hend von einem die örtlichen Handlungsmöglichkeiten überschätzenden CO2-Minderungsziel und ohne ausreichende Rücksicht auf die oben genannten Prioritäten auf eine weitere und massive Verschärfung der Restriktionen gegen den Individual-verkehr setzt, anstatt an dessen möglichst schonender Abwicklung zu arbeiten und den Öffentlichen Nahverkehr in einem ehrlichen Wettbewerb mit dem Individual-verkehr zu stärken.

Die angestrebte Verminderung des CO2-Ausstoßes kann nur durch eine voraus schauende Energiepolitik, Steigerung der Energieeffizienz und auch die Nutzung der im praktischen Betrieb leider begrenzten Potenziale der regenerativen Energien erzielt werden, aber nicht durch zusätzliche Einschränkungen im Straßenverkehr. Letztere wirken in aller Regel kontraproduktiv und bringen keinerlei Verbesserung, weil durch Verkehrsstauungen der Energieverbrauch massiv ansteigt und die Umorientierung von Verkehrsströmen von Zielen in der Stadt auf Alternativziele im Umland (z.B. Einkaufzentren) zu einer Steigerung und nicht zu einer Minderung der Kilometerleistung führt.

Es wird darauf hingewiesen, dass die durch den von der Bundesregierung geplanten Ausstieg aus der Kernenergie verursachten Steigerungen des CO2-Ausstoßes in Deutschland alle durch die ehrgeizigsten verkehrsplanerischen Maßnahmen in München erreichbaren Minderungen wahrscheinlich wenigstens um den Faktor 1000 übersteigen. Den Münchner Bürgern kann es nach Ansicht der CSU nicht zugemutet werden, dass versucht wird, sie über eine restriktive Verkehrsplanung zur Kompensation der Energiepolitik des Bundes heranzuziehen.


Angestrebte Verkehrsminderung illusorisch

Die vom Planungsreferat angestrebte Zurückdrängung des Anteils des motorisierten Individualverkehrs von 68 Prozent auf 50 Prozent aller gefahrenen Kilometer bedeutet unter der Voraussetzung, dass ein gutes Drittel dieses Individualverkehrs auf den Wirtschafts-verkehr entfällt und als kaum verlagerbar gilt, dass fast jeder zweite heute mit dem Kraftfahrzeug zurückgelegte Fahrkilometer im übrigen Individualverkehr (Bürgerverkehr) künftig nicht mehr auf diesem Wege stattfinden darf. Dieses Ziel wäre nach Ansicht der CSU-Stadtratsfraktion praktisch gesehen auch mit massivsten Restriktionen nicht erreichbar.

Genau im Sinne der Verschärfung der Restriktionen spricht der Vorentwurf des Planungs-referates davon, „alle Maßnahmen zur Verkehrsverminderung und zur Verkehrsverlagerung auf umweltgerechte Verkehrsmittel (hätten) höchste Priorität“ (Seite 10), und schließt eine Abwägung mit anderen Gesichtspunkten schon in der Formulierung aus. Daher müsste aus der Sicht einer großen Gruppe der Verkehrs-teilnehmer, die bereits in den vergangenen zehn Jahren massive Einschnitte hat hinnehmen müssen, eher von einem „Verkehrs-einschränkungsplan“ als von einem „Verkehrsentwicklungsplan“ gesprochen werden.


Andere Ausrichtung des Verkehrskonzeptes

Die CSU strebt daher im Gegensatz zu den Autoren des vorliegenden Entwurfes ein Verkehrskonzept an, das eine nachhaltige Verbesserung der Verkehrssituation in der Stadt bewirken soll. In der Weiterentwicklung des öffentlichen Nahverkehrs setzt dieses Konzept
 mehr auf den Weiterbau der leistungsfähigen U-Bahn und
 weniger auf die Realisierung umstrittener Straßenbahn-Projekte
und gegenüber dem Individualverkehr
 mehr auf den Abbau der bestehenden Engpässe im Straßenraum und bei der Parkplatzversorgung und
 weniger auf Restriktionen im Verkehrsfluss und weniger auf künstliche Verknappung des Parkraumes.

Aktuelle Situation genauer betrachten

Nach Auffassung der CSU müssen die aktuelle Situation und das Umfeld, auf die bzw. das sich die Planung beziehen soll, wesentlich genauer betrachtet werden, bevor konkretere Aussagen getroffen werden. Nur so können für München Verbesserungen erreicht werden. Insbesondere die folgenden Punkte verdienen verstärkte Betrachtung:

 Der öffentliche Nahverkehr wird in München vergleichsweise sehr gut angenommen. Dieser Stand ist zu sichern und nach Möglichkeit zu verbessern, aber den weiteren möglichen Steigerungen sind Grenzen gesetzt, weil jedes weitere Prozent zusätzlicher Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen höhere finanzielle Aufwände verschlingen wird.
 Die öffentlichen Verkehrsmittel sind teilweise in den Hauptverkehrszeiten überlastet. Weitere Fahrgastzuwächse sind dann von Ausbaumaßnahmen abhängig.
 Das Münchner Hauptstraßennetz ist auf wichtigen Abschnitten chronisch überlastet. Diese Situation und die daraus auch folgenden ökologischen Belastungen kann ebenfalls nur durch Ausbaumaßnahmen aufgefangen werden.
 Die Zulassungszahlen für Kraftfahrzeuge in München steigen weiter und es ist nach allen seriösen Vorhersagen auch in Zukunft von Steigerungen auszugehen.
 Die Zahl der Parkplätze ist im Vergleich dazu, insbesondere innerhalb des Mittleren Rings, deutlich weniger gestiegen und in Teilbereichen sogar reduziert worden. In vielen Stadtvierteln wird die Parkplatzsuche, nicht zuletzt für die Anwohner, immer schwieriger.

Die Gesamtsituation, in die sich die Münchner Verkehrsplanung einbettet, verdient ebenfalls mehr Beachtung:
 Im europäischen Wettbewerb werden, vor allem seit dem Fall des „eisernen Vorhangs“, konkurrierende Standorte stärker (z.B. Berlin).
 Die Entwicklung von Wirtschaft und Bevölkerung entfaltet im Umland derzeit eine wesent-lich größere Dynamik als im Kernbereich. Dadurch entstehen für die Landeshauptstadt München schon heute gewichtige Nachteile, z.B. beim Steueraufkommen, und es droht eine fortschreitende Zersiedelung der Landschaft im Großraum München.
 Die stürmische Entwicklung der elektronischen Medien (Informations-Zugriff zu jeder Zeit von jedem Ort) stellt für den Standort „Stadt“ insoweit eine Herausforderung dar, als sie Vorteile zentraler Standorte relativiert.
 Die moderne Informationstechnik hat große Potenziale zur Verbesserung der Verkehrsabläufe (im öffentlichen Verkehr wie auch im Individualverkehr), aber auch zur Verkehrs-Vermeidung.
 Die Entwicklung der Automobil-Technik wird höchstwahrscheinlich in den nächsten zwei Jahrzehnten Fahrzeuge hervorbringen, die insbesondere unter Umwelt-Aspekten für die Verwendung in Verdichtungsräumen deutlich besser geeignet sind als die heutigen (deutliche Emissionsminderung).
 Die überörtliche Verkehrsanbindung des Standortes München wird sich nach den bundespolitischen Leitlinien trotz wachsenden Bedarfs kaum weiterentwickeln (Zurückstellung der Eisenbahn-Ausbauprojekte sowohl in West-Ost-Richtung als auch in Süd-Nord-Richtung; praktisch keine neuen Projekte im Fernstraßen-Ausbau mehr).

Eine Verkehrsplanung, die den Weg in Münchens Zukunft aufzeigen will, muss den Versuch unternehmen, die hier genannten Herausforderungen zu bewältigen und auf die beschriebe-nen Trends zu reagieren. Die Funktionsfähigkeit und Entwicklungsfähigkeit des städtischen Verdichtungsraums setzt ein funktionierendes Verkehrssystem voraus. Die CSU strebt deshalb einen Verkehrsentwicklungsplan an, der sich aus den folgenden Leitlinien entwickelt:


Erhaltung und Verbesserung der Mobilität für alle Verkehrsteilnehmer - bedarfsorientierte und stadtverträgliche Verkehrsbewältigung

Die Verkehrsplanung hat die berechtigten Interessen aller Verkehrsteilnehmer angemessen zu berücksichtigen. Die Verkehrsinfrastruktur muss daher einerseits soweit wie möglich dem Bedarf von Bürgern und Betrieben entsprechen und andererseits zu einer möglichst sicheren, menschen- und umweltgerechten Verkehrsabwicklung beitragen.

Wo es möglich ist, soll Verkehr ganz vermieden werden, zum Beispiel durch Siedlungsstrukturen, die möglichst wenig Verkehr induzieren („Stadt der kurzen Wege“) und den verstärkten Einsatz der modernen Telekommunikationstechniken. Durch eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten können die Verkehrsspitzen im Berufsverkehr entzerrt werden. Car-Sharing und die Bildung von Fahrgemeinschaften sollen unterstützt werden, weil sie ebenfalls Entlastungen bringen können.

Das Verlagern von Verkehrsanteilen auf öffentliche Verkehrsmittel soll durch deren Verbesserung erreicht werden. Aus Respekt vor der Entscheidung des Bürgers bei der Wahl seines Verkehrsmittels wird auf willkürliche Einschränkungen des Individualverkehrs verzichtet.

Die schrittweise Einführung des 10-Minuten-Taktes bei der S-Bahn durch die Ertüchtigung der Stammstrecke, den Ausbau der Zulaufstrecken im Umland und die Realisierung der Südumfahrung genießt im ÖPNV höchste Priorität. Die Verknüpfung weiterer U-Bahn-Linien mit der S-Bahn wirkt einer zu einseitig sternförmigen Struktur des Münchner ÖPNV-Netzes entgegen. Für den weiteren Ausbau der U-Bahn, die das Rückgrat des innerstädtischen Nahverkehrs bildet, ist ein viertes Mittelfristprogramm auszuarbeiten, das weitere Linien-Verlängerungen und -Verknüpfungen bieten soll. Attraktive und flexible Zubringer- und Verteilersysteme ergänzen das Netz in den Stadtvierteln. Beim Ausbau der Straßenbahn muss verstärkt auf den Landschaftsschutz und den Erhalt der sowieso schon sehr knappen Kapazitäten im Straßenverkehr geachtet werden. Das gilt auch für alle Maßnahmen zur Straßenbahn- oder Busbeschleunigung.

Das Umsteigen auf den ÖPNV ist durch den bedarfsgerechten Ausbau von Park&Ride-Einrichtungen - sowohl im Stadtgebiet als auch im Umland - zu fördern.

Die Attraktivität des Wirtschaftsraums München, der weit über die Stadtgrenzen hinausgeht, hängt entscheidend von seiner Erreichbarkeit und der Mobilität im Stadtgebiet ab. Daher ist eine Verbesserung der Bedingungen für den Wirtschaftsverkehr unabdingbar. Wesentliche Bausteine hierzu sind die Errichtung von Güterverkehrs- und Güterverteilzentren sowie die Umsetzung eines kooperativen City-Logistik-Konzepts.

Verkehrsplanung, Straßenbau und Verkehrsregelung sind den Zielen Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs verpflichtet. Zur Beseitigung der drängendsten Engpässe, zur Erschließung neuer Nutzungspotentiale und zur Entlastung vorhandener Wohnbereiche ist eine durchdachte Optimierung und sinnvolle Ergänzung des Straßennetzes notwendig. Der Autobahnring im Westen Münchens muss zügig fertiggestellt werden. Zeitgleich mit dem Autobahnring sind die notwendigen Anbindungen an das städtische Hauptstraßen-netz zu realisieren.

Der kreuzungsfreie und umweltfreundliche Ausbau des Mittleren Ringes in den Bereichen Petuelring, Luise-Kiesselbach-Platz und Richard-Strauss-Straße verbessert und bündelt die Abwicklung des innerstädtischen Verkehrs. Die beiden noch nicht begonnenen Projekte sollen schnellstmöglich, am besten gleichzeitig, in Angriff genommen werden. Die schädliche Wirkung des Mittleren Rings auf den Englischen Garten ist mittelfristig durch die Schaffung einer Landschaftsbrücke zu minimieren; dabei sind ausreichende Kapazitäten für absehbare Verkehrsentwicklungen zu berücksichtigen.

Zur Verringerung des Parkdrucks in besonders belasteten Gebieten ist auf den Bau ausreichender Stellplatzkapazitäten insbesondere für die Anwohner hinzuwirken, zum Beispiel durch die Förderung oder den Bau von Anwohnergaragen.

Die zwangsweise Ablösung von Stellplätzen, die im Rahmen von Bauvorhaben entstehen sollen, wird umgehend eingestellt. Investoren im Nicht-Wohnungsbau wird jedoch freigestellt, für den geplanten Zweck ihrer Bauanlagen nicht erforderliche Stellplätze bis zu einer an den örtlichen Gegebenheiten orientierten Untergrenze abzulösen.

Bei einer Ausdehnung der heutigen Stellplatzbeschränkung würden dagegen Strukturdefizite in künftig immer mehr Stadtvierteln festgeschrieben und durch bewusste Planung verschärft, die in Form wachsender Parkplatznot in Zukunft vor allem den Anwohnern zur Last fallen werden. In künftigen Jahrzehnten, wenn dank verbesserter Automobiltechnik viele Argumente gegen das Auto weggefallen sein werden, würde die Nachrüstung der heute verbotenen Parkplätze weit höhere Kosten verursachen.

Moderne Verkehrssteuerungs-Techniken sollen zur Verbesserung des Verkehrsflusses (z.B. Optimierung der „Grünen Wellen“) im Hauptstraßennetz und zur Verringerung der Umweltbelastungen beitragen. Verkehrsströme sollen im Falle von Unfällen, Baustellen oder anderen Verkehrsstörungen möglichst flexibel umgeleitet werden. Dafür müssen vor allem die Störfall-Erkennung ausgebaut und Ampel-Steuerungen so intelligent gemacht werden, dass kurzfristige Reaktionen möglich sind. Es muss im Straßennetz wenigstens ein Minimum an Kapazitätsreserven geben, damit Reaktionen auf längerfristige Störungen möglich bleiben.



Joachim Haedke und Wolfgang Wiehle, StR, 15 September 2000.


Übersicht